Du beschäftigst dich schon länger mit Kunst und Künstlicher Intelligenz. Wann hast du das 1. Mal von NFT-Kunst gehört oder gelesen?
Das erste Mal habe ich mich im Herbst 2019 intensiver damit beschäftigt. Ich habe damals im Münchner Kreativquartier eine Veranstaltung organisiert, zu der ich u.a. Gleb Divov, den Gründer des baltischen CryptoArt Hubs Digital//Kalnas, eingeladen habe. Ein Jahr später ging dann die Debatte um das Metaversum los. Hier wurde mir bewusst, wie bedeutsam NFT für Menschen sein wird, die sich in einer vollkommen digitalen Welt heimisch fühlen wollen. Die Corona-Schutzmaßnahmen sorgten dann dafür, dass gesamtgesellschaftlich der Bedarf nach technischen Lösungen für ein zunehmend digitalisiertes Leben anstieg.
Gibt es Kunstwerke oder Projekte auf den NFT-Marketplaces, die du toll findest?
Zum einen finde ich in der bisher existierenden NFT-Kunst alles faszinierend, was die neuen technischen Möglichkeiten der Blockchain bzw. von Smart Contracting ausreizt. Hashmasks deuten dies schon an, weil sie der BesitzerIn eine technische Möglichkeit zur Mitgestaltung bieten. In dem Fall kann der Name des Kunstwerks geändert werden. Aber das ist wirklich nur der Anfang. Über Async oder Chainlink Oracles lassen sich dynamische NFTs und Multilayer-NFTs erstellen. Mehrere Leute können einzelne Layer besitzen und in Echtzeit mit eigenen Daten manipulieren. Damit kann man Bilder erstellen, die jeden Tag anders aussehen, aber auch zum Beispiel innovative Infografiken, die aus aktuellen Finanzdaten gespeist sind. Man könnte in einem kleinen Bild zusammenfassen, was Börsenhändler*innen aktuell noch aus mehreren Quadratmetern “Chart-Collage” zusammensuchen. Selbst das wäre aber immer noch eine alberne Kinderspielerei im Vergleich zu dem, was mit Smart Contracting in Zukunft technisch möglich sein wird.
Zum anderen begeistert mich alles, was die soziale und konzeptuelle Ebene der NFT-Technologie thematisiert. Diese neuen Versprechen digitaler Einzigartigkeit und Autorenschaft werden regelmäßig ad absurdum geführt. In dieser Woche hat Elon Musk ein Musikstück über NFTs als NFT verkauft. Ein wachsamer Follower hat sofort einen Screenshot dieses NFTs über NFTs als NFT eingestellt und über 100’000 US$ geboten bekommen. Sofort wurden auch neue NFTs über dieses NFT erstellt. Um da folgen zu können braucht man fast ein Doppelstudium in Kybernetik und Paradoxie.
Bist du auch Besitzer von NFT-Kunst?
Der Markt wird gerade überschwemmt von Leuten, die eins zu eins ihre bisherige digitale Kunst als NFT verkaufen. Diese Verkäufe profitieren vom Reiz der Neuheit, der aber langsam verschwinden wird. Wenn mir da ein Bild gefällt, würde ich mir eher ganz “old school” einen Druck davon kaufen. Auch aus Investment-Sicht fände ich die ungeeignet, weil es davon einfach zu viel gibt. Ausnahme sind da höchstens die bekanntesten Werke wie Cryptopunks oder Arbeiten von Beeple, aber die kann ich mir einfach nicht leisten.
Ich “besitze” einige sehr wenige NFT-Werke von KünstlerInnen aus der deutschen NFT-Community, die ich aber nicht gekauft habe, sondern gegen eigene Arbeiten getauscht habe. Deutschland existiert noch gar nicht auf der NFT-Weltkarte, aber es gibt eine rasch wachsende produktive Community, die sehr kreativ an das Thema NFT herangeht. Die oben beschriebenen paradoxen Rückkopplungen sind oft Thema solcher Arbeiten. Ich besitze zum Beispiel in 3D angelegte Blätter des Baumes, der sich selbst besitzt. Den gibt es wirklich und der steht in Georgia, USA. Diese Arbeit spielt mit der bisherigen Vorstellung des Copyright: NFTs sollten ja das Copyright im digitalen Raum durchsetzen. Defacto geschieht das Gegenteil: NFTs hebeln das Copyright im analogen Raum aus. Eine Foto von Rembrandts Nachtwache wurde als NFT verkauft und niemand weiß, wie man damit umgehen soll. Wie will man dann mit einem Copyright umgehen, dass nicht einem niederländischen Museum, sondern einem Baum gehört?
Ich hoffe, dass solche Arbeiten eine grundsätzliche Debatte über Eigentum und künstliche Verknappung in unserer Gesellschaft auslöst. Das schlauste, was wir Menschen erfunden haben, ist nicht das Besitzen, sondern das Teilen.
Was hältst du vom derzeitigen Boom von NFT-Kunst?
Das war nur ein kleiner Vorgeschmack. Aktuell ist der NFT-Markt vor allem eine Spielwiese für elitäre Spekulanten. Der richtige Boom kommt erst dann, wenn der Zugang zu NFTs technisch vereinfacht wird und die praktischen Anwendungen von NFTs wieder in den Vordergrund rücken. Viele verstehen NFTs als reinen Kunsttrend. NFT-Technologie ist aber überall wertvoll, wo schnell und sicher digitale Güter gehandelt werden. Bei Online-Games werden Items wie zum Beispiel Ausrüstung für Spielcharaktere schon lange als NFTs gehandelt und Musiker verstehen auch langsam, dass sie mit NFT eine ausbeuterische Plattenfirma umgehen können.
Wenn man sich alleine aus Naked-Forex-Perspektive die Marktentwicklung anschaut, dann stehen wir gerade am Beginn des ersten Preisausschlags. Der vorläufige Höhepunkt kommt aus meiner Sicht erst dann, wenn die Mainstream-Medien das Thema ernsthaft aufgreifen. Und damit meine ich nicht die Berichterstattung auf dem Level: “Schaut mal, da bezahlt einer 69 Millionen für eine Datei. Na das ist ja verrückt.”
Ich glaube nicht, dass so schnell noch einmal ein Werk wie das von Beeple so teuer verkauft wird. Die Preise entwickeln sich vermutlich wie bei KI-Kunst: Das erste versteigerte KI-Kunstwerk “Portrait of Edmond Belamy” brachte ca. 400’000 €, das zweite Werk von Mario Klingemann (Memories of Passersby I) “nur” ein Zehntel davon. Aber insgesamt werden nun viel mehr Leute in viel mehr NFTs investieren, sodass der Markt bei sinkenden Spitzenpreisen insgesamt rasant wachsen wird. Sobald dann jede Kunstsammlung um eine Repertoire an NFTs erweitert wurde, wird der Markt sich etwas beruhigen, bis dann der richtige Boom los geht, der nicht durch den Reiz des Neuen sondern durch durch den praktischen Nutzen und Wert dieser Technologie getragen wird.
In einem Blogbeitrag schreibst du, du machst “konzeptuelle NFT-Kunst über NFT-Kunst”. In diesem Fall hat die Idee mehr Gewicht und das eigentliche Werk ist von untergeordneter Bedeutung. Denkst du, dass du mit Konzeptkunst in der doch sehr visuell geprägten “NFT-Szene” erfolgreich sein kannst? Oder was ist dein Ansporn für deine NFT-Projekte?
Über meine höchst-bescheidenen Einnahmen aus konzeptueller NFT-Kunst freue ich mich sehr. Aber wenn es mein Ziel wäre, durch den Verkauf von NFTs schnell reich zu werden, hätte ich ebenfalls die Cryptopunks, -kitties, -cats und -kongz und wie sie alle heißen imitiert, zum Beispiel mit einer tollen Kollektion an Cryptomustaches in unterschiedlich seltenen Variationen.
Gedacht gemacht {