Künstliche Intelligenz verändert den Blick auf die Kunst. Kreativschaffende testen und spielen mit Tools und erstellen so neue Bildwelten jenseits menschlicher Vorstellungskraft.
Unperfekte und fast perfekte Fotos
Ein Shooting-Star in der Szene ist der Finne Roope Rainisto. In der Serie “Life In West America” untersucht der Designer und Fotograf in einem post-photographischen Projekt die USA: Das Land als Konzept, als Ideal und die Geschichten der Menschen, die diesen Raum bewohnen. Die Kollektion kombiniert die visuelle Sprache der traditionellen Fotografie mit den grenzenlosen Möglichkeiten der KI und fängt einen Moment in der Zeit und in der generativen Technologie ein. Jedes der Werke wird mit speziell für dieses Projekt trainierten Modellen erzeugt.
Auf einen ersten flüchtigen Blick wirken die Fotos wie Erzeugnisse vor 50 bis 60 Jahren. Auf den zweiten Blick sind etliche Fehler auf dem Bild zu erkennen, welche nicht der Realität entsprechen. Roope Rainistor meint dazu: “Nachdem ein menschlicher Künstler gelernt hat, eine Hand mit fünf Fingern "richtig" zu zeichnen, fällt es ihm schwer, etwas grundlegend anderes zu zeichnen.”
In der Serie “Essential Night” von Roope Rainistor wirken die Dämmerungs- und Abendstimmungen in Verbindung mit verlassenen Orten schon fast wie perfekt belichtete und komponierte Fotografien.
AI Kunst im Louvré Paris
Gestern machte die Schlagzeile die Runde, dass Werke von Claire Silver in einer Einzelausstellung im Louvre ausgestellt werden. In Wahrheit dürfte es sich nicht um einen prominenten Saal im berühmten Louvre Museum in Paris handeln, sondern um einen Ausstellungsraum im nahegelegenen Le Carrousel du Louvre. Claire Silver ist jedoch keine Unbekannte im Kunstmarkt. Seit 5 Jahren beschäftigt sie sich mit KI-Kunst, das Werk “Blood in the Streets, Late to the Ball” wurde 2022 an einer Auktion bei Sotheby’s versteigert.
In der Serie “AI Art is Not Art” thematisiert sie die Kritik, welcher KI-Kunst ausgesetzt ist. Es fehle ihr an künstlerischem Wert und Können. Die Serie stellt diese Vorstellung in Frage, indem sie auf die Kunstgeschichte zurückgreift. Mit KI-Tools wie Artbreeder, Prosepainter, Collage by Studio Morphogen, Midjourney, Diffusion, StabilityAI und Dalle2, sowie Handmalerei und digitale Collagen erschafft sie einzigartige Kollaborationen mit KI.
Sind Bilder durch künstliche Intelligenz überhaupt Kunst?
Die Frage dürfte oft gestellt werden und zu unterschiedlichen Antworten führen. Es gibt Pro und Contras. Tatsache ist, dass überzeugende und einzigartige Bilder nicht einfach so auf Knopfdruck passieren.
Kunst in Verbindung mit Künstlicher Intelligenz gewinnt aber zweifelsohne an Bedeutung Vermehrt präsentieren Galerien und Museen Ausstellungen dazu. Die Colección SOLO in Madrid rief zu einem Wettbewerb auf. Für den “AI 23 AWARD” haben mehr als 500 Kreativschaffende Werke eingereicht. Als Gewinner wurde Lars Nagler aus Deutschland gekürt.
Die Galerie Greulich widmet dieser technischen und künstlerischen Entwicklung eine eigene Ausstellung: “I, A(I)rtist –Kunst im Zeitalter von KI” wirft einen Blick auf die Digitale Kunst/NFTs. Die Bandbreite reicht von Ungegenständlichen bewegten Bildern, die ihre Ansatzpunkte in der Farbfeldmalerei haben bis hin zu bildlich generierten Erinnerungen, die mittels Fotografien erstellt werden.
Animierte Bilder
Klammheimlich hat sich die Plattform Sansa mit der Collection Braindrops zu einer bedeutenden Kunstplattform gemausert, auf welcher KI-Kunst als NFTs gehandelt wird. Erfolgreich unterwegs ist die Serie podGANs von Pindar van Arman. Der KI-Artist arbeitet mit künstlich intelligenten Malrobotern zusammen. Ihre kreativen Köpfe nutzen eine breite Palette konkurrierender KI-Agenten, darunter Deep Learning, generative Algorithmen und Feedback-Schleifen, um ihre Kreationen mit einem Pinselstrich nach dem anderen in die materielle Welt zu bringen.
Elena Latuzina präsentiert in ihrer Collection “Color of Happiness” Architektur mit Farbe und Glück gefüllt, mit viel Liebe und Herzlichkeit gemacht.
Wie die (animierten) Bilder genau zustande kommen, weiss der Erschaffer oder die Erschafferin wohl nur selber - oder auch nicht. Denn sicher spielt auch Zufall eine Rolle. KI kreiert Bilder, die ein Mensch beeinflussen kann. Mit KI entstehen jedoch technisierte Kulturästhetiken jenseits menschlicher Vorstellungskraft. Noch spannender wird das Endprodukt, wenn die erzeugten Bilder nachbearbeitet oder auch animiert werden.
Die Preise für die Werke sind höchst unterschiedlich. NFTs gibt es für ein paar Schweizer Franken bis zu mehreren tausend CHF zu kaufen. Das Betrachten von KI-Kunst auf den NFT-Plattformen ist auf jeden Fall “eine Reise wert”. Überraschungen sind garantiert.
Einige sehen wegen Künstlicher Intelligenz den Anbruch einer kreativen Renaissance, die Kunst und Kultur durcheinander wirbeln wird. Manche Künstler:innen sorgen sich und fühlen sich von der Technologie beraubt.
Angst muss man vor der KI aber nicht haben, meint Sabine Himmelsbach, Direktorin am Haus der elektronischen Künste (HeK):